Ein Gewinn für Wuppertal: das neue Wohnquartier Tesche. Pünktlich zum 125. Geburtstag im Jahr 2023 soll hier ein neues Gebäudeensemble entstehen, das die historisch gewachsenen Strukturen mit den Anforderungen eines zeitgemäßen Wohnungsbaus zusammenbringt. Um die architektonisch und städtebaulich bestmögliche Lösung zu finden, hatte die ebv in einem hoch dotierten Einladungswettbewerb sechs namhafte Architekturbüros beauftragt, Ideen zu entwickeln. Das Düsseldorfer Büro HGMB Architekten konnte die hochkarätig besetzte Jury mit seinem Konzept überzeugen. Im Rahmen der Jurysitzung am 31. Januar 2019 in der Wuppertaler Villa Media konnte sich ein Entwurf klar durchsetzen.
Das Gesicht des Quartiers Tesche wird sich in den nächsten Jahren weiter zum Positiven verändern. Während in der Nathrather Straße Neubauten an die Stelle der überalterten Bestandsgebäude treten, werden die aus den 1920er-Jahren stammenden Häuser in der Memeler Straße saniert und an heutige Bedürfnisse in Sachen Energieeffizienz und Wohnkomfort angepasst. Wichtig war es der ebv als Ausloberin des Wettbewerbs, dass der spezielle Charakter des Quartiers Tesche erhalten bleibt. Die Fassaden der Neubauten sollten jedoch bewusst modern gestaltet sein, um auch ästhetisch neue Akzente hineinzubringen.
Abschied von Altem, Vorfreude auf Neues
Es ist das erste Mal in der 120-jährigen Geschichte der ebv, dass Bestandsgebäude durch Neubauten ersetzt werden. „Natürlich fällt es uns als Wohnungsbaugenossenschaft erst einmal schwer, Häuser abzureißen, aber Sanierungsmaßnahmen wären hier aufgrund der überalterten Bausubstanz und der schlechten energetischen Situation so umfangreich, dass sie ökonomisch und auch ökologisch nicht zu rechtfertigen wären. Auch aus architektonischer und städtebaulicher Sicht sind die Häuser in der Nathrather Straße als nicht erhaltenswert einzustufen“, erläutert ebv-Vorstandvorsitzende Anette Gericke. Dass mit Bedacht geplante und realisierte Neubauten ein ganzes Wohnquartier neu beleben können, hat bereits ein vorangegangenes Projekt der ebv an der Tesche gezeigt.
Alle Mieter in den betroffenen Häusern wurden bereits über das anstehende Vorhaben informiert. Selbstverständlich hilft die ebv bei der Wohnungssuche, übernimmt Umzugskosten und zum Teil auch Renovierungskosten. Wenn gewünscht, können nach Abschluss der Baumaßnahmen alle Mieter wieder in ein neues, „besseres“ Zuhause zurückziehen.
Das Gebäudeensemble in der Memeler Straße hingegen ist aufgrund der historischen Fassade erhaltenswert und wird umfassend saniert, modernisiert und zum Teil erweitert.
Überzeugender Sieger
Das Konzept des Düsseldorfer Architekturbüros HGMB ging in der Jurysitzung mit 7:1 Stimmen als klarer Sieger hervor, da es „alt“ und „neu“ auf hervorragende Weise zusammenbringt. Es wurde deutlich, dass sich das Team im Vorfeld intensiv mit dem Quartier, seiner Geschichte und den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner auseinandergesetzt hat. Drei zentrale Ziele formulierte das Architekturbüro in seinem Konzept:
1. Zeitgemäßen Wohnraum für verschiedene Nutzergruppen wie Senioren und Familien schaffen.
2. Ausblicke ins Tal inszenieren und die günstige Lage für sonnendurchflutete Räume nutzen.
3. Freiräume aufwerten und Wegbeziehungen stärken, um eine höhere Aufenthaltsqualität zu schaffen und Wege zu erleichtern.
In der Nathrather Straße werden neue Häuser in offener Bauweise mit hellen und freundlichen Grundrissen entstehen. Alle Wohnungen werden über Balkone oder Terrassen verfügen.
Die Straßenfassaden an der Memeler Straße werden behutsam modernisiert, die Grundrisse neu zugeschnitten, um großzügigere Räume zu schaffen. Zudem werden die Häuser an der Rückseite durch Wohnmodule erweitert. Inmitten des Quartiers wird es eine zentrale Wiesenfläche und einen Bereich zum Treffen und Spielen geben. Weitere bepflanzte Freiflächen und Heckenbänder unterstreichen den grünen Charakter des neu entstehenden Ensembles.
Professionelles Verfahren
Um sicherzustellen, dass die bestmögliche Lösung für das Quartier und die Mieter im Vordergrund stand, hatte sich die ebv für einen professionell durchgeführten Architektenwettbewerb mit anonymisiertem Auswahlverfahren entschieden – die Jury hat also nur die Entwürfe gesehen und beurteilt, ohne zu wissen, von welchem Büro sie stammen. Dass sich die Jury schließlich nicht für einen „trendigen“ Entwurf entschieden hat, sondern für das Konzept, das für die künftigen Mieter die größte Attraktivität besitzt, unterstreicht den auf Gemeinwohl ausgerichteten Genossenschaftsgedanken der ebv.
Dipl.-Ing. Claudio Steege, Architekt und Stadtplaner der Gesellschaft für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Städtebau, Städtebaurecht MbH Niemann + Steege, Düsseldorf, war verantwortlich für das Verfahrensmanagement und die Wettbewerbsbetreuung. Er ist sehr zufrieden mit dem klaren Juryvotum. Dies zeige die klare Position des Entwurfs im Wettbewerb. Die hochqualifizierte Jury stehe für ein Ergebnis, das fachlich über jeden Zweifel erhaben sei. Die Stadt Wuppertal von Anfang an zu involvieren, sei eine sinnvolle Entscheidung gewesen – um regionale Kompetenz zu integrieren und um sicherzustellen, dass auch im Sinne der Stadt und der Quartiersentwicklung entschieden werde. Die Auswahl großer und namhafter Architekturbüros garantiere, dass ein Projekt dieser Größenordnung im nächsten Schritt auch realisierbar sei.
Dipl.-Ing. Markus Rathke, Rathke Architekten GbR Wuppertal, Vorsitzender des BDA Wuppertal (Bund Deutscher Architekten), war Mitglied der Jury. Er machte deutlich, dass für die Jury das Hauptaugenmerk auf der städtebaulichen Herausforderung gelegen habe. Gebäudesanierung im Bestand und Neubau im Quartier architektonisch und städtebaulich zu planen, sei so komplex, dass nur größere Architekturbüros der Aufgabe gerecht werden könnten. Für eine solchen Wettbewerb müsse ein Architekturbüro an die 500 Stunden Arbeit aufwenden – angesichts dessen sei es nur fair, dass die ersten drei Plätze in dem Wettbewerb dotiert gewesen seien.
Auch Jurymitglied Rüdiger Bleck, Ressortleiter Stadtentwicklung und Städtebau bei der Stadt Wuppertal, zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Zwar sei es schade, dass das Projekt nicht an ein Wuppertaler Architekturbüro vergeben worden sei – dieses Projekt werde jedoch in jedem Fall für eine Aufwertung des Quartiers sorgen und insgesamt dazu beitragen, Wuppertal als Wohnort noch attraktiver zu machen.